Fiskalpakete und US-Außenpolitik: Welche Richtung für die EZB?

Dr. Klaus Bauknecht

Die US-Außenpolitik und insbesondere die Zollpolitik belasten zwar den Exportausblick für die Euro-Zone, doch eine deutliche fiskalische Stimulierung in Europa könnte ab 2026 die Nachfrage stärken. Gleichzeitig deutet die Geldmenge bereits auf ein erhöhtes Inflationsrisiko im Jahr 2026 hin. Die EZB dürfte den Einlagenleitzins bis Mitte 2025 auf 2 Prozent senken. Wie lange er da verweilen wird, bleibt angesichts der aktuellen Unsicherheiten abzuwarten. Es gibt jedoch auch Argumente, die für höhere Zinsen 2026 und 2027 sprechen.
 
Die Inflationsraten in der Euro-Zone und Deutschland sind im März 2025 auf 2,2 Prozent bzw. 2,4 Prozent gesunken, was nahe dem Inflationsziel von 2 Prozent liegt. Ohne Zweifel ist für 2025 von einer Inflationsrate auszugehen, die konsistent zum 2 Prozent-Inflationsziel ausfällt.
 
Eine Notenbank muss jedoch vorausschauend handeln – insbesondere wegen des langen Transmissionsmechanismus, der nach Schätzungen zwei, vier oder noch mehr Quartale andauern kann. Die Frage für die Geldpolitik ist also weniger, wo die aktuelle Inflation liegt. Entscheidend ist vor allem die zukünftige Entwicklung. Ab Mitte 2025 wird es für die EZB wichtig sein, wie sich die Inflationsdynamik vor allem im Verlauf von 2026 entwickeln könnte.
 
Hier gibt es viele Unsicherheiten: Einerseits wird die Zollpolitik der USA die Konjunktur weltweit und damit auch in Europa belasten. Andererseits dürften die enormen Fiskalpakete der EU-Länder die Wirtschaft beleben, auch wenn viele der Verteidigungsausgaben importiert werden. Höhere Staatsausgaben sorgen in erster Linie nicht für höhere Produktivität, sondern vor allem für eine höhere Nachfrage. Damit erhöht sich das Inflationsrisiko in Europa, vor allem, wenn die Notenbank durch Zinssenkungen noch zusätzlich Raum schaffen würde. Auch könnte der aktuell positive Verlauf der Geldmenge und der Kreditvergabe im Euro-Raum bereits auf einen erhöhten Inflationsdruck 2026 hindeuten.
 
Noch ist die Zinspolitik der EZB restriktiv. Denn der neutrale Zinssatz liegt laut aktuellen Schätzungen bei um die 2 Prozent. Daher dürfte sie zügig zwei weitere Zinssenkungen um 25 bp vornehmen. Die Motivation ist, die Geldpolitik neutral auszurichten. Damit würde die EZB auch den erheblichen Unsicherheiten und Risiken für den Ausblick 2026 und 2027 gerecht werden. Denn eine Notenbank sollte in unsicheren Zeiten eher eine neutrale Ausrichtung verfolgen, um das Risiko einer Destabilisierung durch abrupte geldpolitische Veränderungen zu minimieren. Angesichts der vielfältigen Unsicherheiten dürfte die EZB bei einem Zinssatz von 2 Prozent erst einmal pausieren. Bewahrheiten sich allerdings die Inflationsrisiken aufgrund der expansiven Fiskalpolitik, besteht sogar Auftriebspotenzial für die EZB, die Zinsen ab der zweiten Hälfte 2026 zu erhöhen.

Newsletter vom 9. April 2025

Dr. Klaus Bauknecht – Chefvolkswirt
IKB Deutsche Industriebank AG

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